At the MMCA Seoul 2019
Die seit 2020 entworfenen und produzierten Künstlerteppiche gestaltete der in Brandenburg und Berlin ansässige Grafik- und Mediendesigner Michael Wruck (*1975), der mit seiner Art des grafischen Designs die Bildwelt von Sebastian Heiner neu interpretiert. Aus den dicht gedrängten Kompositionen von Heiners figürlichen Gemälden, die seit 2012 entstanden sind, extrahierte er einzelne Individuen und zeigt sie nun auf den Teppichen allein oder in Zweierszenen. Manchmal spiegelt er eine Figur, damit sie in den neuen Zusammenhang passt, kombiniert Motive wie den mechanischen Mond oder ein Raumschiff hinzu und vereinfacht Heiners vielfach geschichtete, kristallin-kubistische Landschaften zu geometrisch strukturierten Hintergründen.
Die exakt begrenzten, kontrastreichen Farbflächen, aus denen die Bildelemente bestehen, treten klar hervor und erinnern in ihrer offenen Anordnung an die abstrakten Kompositionen von Robert Delaunay vom Anfang der Dreißigerjahre. Deutlich sichtbar ist Wrucks Affinität zu Illustration und erzählerischer Grafik wie Comic und Animation, jenen Bereichen, auf die er sich während seines Studiums der Medieninformatik spezialisierte und die er hier auf dem Gebiet der angewandten Gestaltung realisiert.
Sicherlich eingeflossen ist auch seine Begeisterung für die Glasmalerei und für farbige Bleiglasfenster, die aus seiner vorangegangenen Ausbildung als Bleiglaser und Glasmaler resultiert. Denn die Gestaltung von Bildszenen aus fest umrissenen, komplementären Farbflächen, wie sie Marc Chagall oder Sergio de Castro in ihren weltbekannten Glasfenstern realisiert haben und die Wruck früh zu eigenen Experimenten veranlasste, hat ihn offensichtlich für Heiners Formrepertoire begeistert und zu den neuen Kompositionen inspiriert.
Grundlage für sein Teppichdesign war wiederum die Computergrafik, die eine von Wrucks Kernkompetenzen ausmacht und auf der das moderne Erscheinungsbild der Teppichserie beruht. Nach dem Studium erweiterte er seine Fähigkeiten im Designbereich bei der Agentur Art.Lebedev in Moskau, dem weltweit angesehen und größten Designstudio Russlands. Bereits während seiner Schulzeit in den letzten Jahren der DDR gehörte eine Ausbildung an den ersten damals verfügbaren Computern zum Unterricht. Die großen russischen Schriftsteller, Dostojewski, Puschkin, Tolstoi und Gogol, begeistern ihn seit dieser Zeit.
Durch den Austausch mit Heiner und dessen Themenwelt sind aktuell die sowjetischen Vertreter der phantastischen Literatur, Arkadi und Boris Strugazki, und der polnische Science-Fiction-Autor Stanisław Lem in sein Interesse gerückt. Beruflich leitet Wruck seit 2007 seine eigene Agentur für Grafik- und Werbedesign, Fotografie und Film, die in Berlin ansässig ist.
Seit 2012 ist er auch als Dozent an der Macromedia-Hochschule tätig. Studienreisen und längere Aufenthalte führten ihn nach Indien, Russland, Kuba, China, Süd-Korea und in die Mongolei. In Berlin lernte er den Maler Sebastian Heiner kennen, für den er 2016 und 2018 dessen im Kerber-Verlag erschienene Kataloge gestaltete. Seit 2017 begleitete er Heiner als Fotograf bei dessen jeweils mehrmonatigen Malaufenthalten in Shanghai, Seoul und Moskau. Dort setzte er die seit seiner Studienzeit betriebene Arbeit an sorgfältig komponierten Straßenfotografien fort und schuf umfangreiche Porträts der Städte und ihrer Bewohner.
In den zurückliegenden Jahren haben der intellektuelle und künstlerische Austausch zwischen Heiner und Wruck zu zahlreichen gemeinsamen Projekten geführt, die in der zuletzt entstandenen Teppichserie mündeten.
Axel Feuß, 2021